Von Emden in die Karibik Ostfriese und Schwäbin verkaufen Hab und Gut und gehen aufs Segelboot
Junges Paar kündigt Bausparverträge und erfüllt sich Reisetraum. Von Emden bis nach Guadeloupe. So lief die Atlantiküberquerung.
Ostgroßefehn – Einfach weg. Keine Termine mehr. Alles aufgeben, dafür aufs Segelboot, aufs Meer. Treiben lassen vom Wind. Der Preis der Unabhängigkeit: die Welt sehen, frei sein, aber auch kein geregeltes Einkommen und am Ende der Reise keine finanziellen Rücklagen. Janek Harms (Ostfriese) und Lena Riede (Schwäbin) haben es gemacht. Sie ist 31, er 26.
Eigentlich wusste Janek schon als junger Mann, dass er einmal im Leben für mehrere Monate auf einem Segelboot die Welt erleben möchte. Bereits als Zwölfjähriger entdeckte er seine Liebe fürs Segeln. Damals noch als „Passagier“, mit 16 segelte er selbst und mit 20 machte er einen Vier-Monate-Törn zu den Kanaren. Da war es um ihn geschehen. „Das ist schon verrückt“, sagt Lena. „Wir haben unsere Jobs gekündigt, alle unsere größeren Besitztümer wie etwa das Auto verkauft und unsere Bausparverträge gekündigt, um uns ein Boot kaufen zu können.“ Während andere junge Menschen ihre erste Wohnung einrichten, haben sich Lena und Janek „für eine intensive Reise“ entschieden, wie sie es nennen.
Leben auf elf Meter Länge
Lena ist Medienpädagogin und Janek hat in einem Großhandel für Segelbedarf gearbeitet. Er ist vom Fach und konnte sehr viel am Boot namens „Nordklang“ allein machen. Das Paar muss als Team funktionieren. Bei einem Streit kann niemand einfach um die Ecke gehen, um allein zu sein. Die Nordklang ist elf Meter lang und drei Meter breit. „Es gibt eine Tür zum Zumachen, das war es auch schon. Man lernt einfach, besser zu kommunizieren“, sagt Lena.
Live-Tipps von den Segelexperten
Mit dem Frühling beginnt auch die Segelsaison in Deutschland. Wer hat Lust, sich auf die Saison bei einem ganz persönlichen Treffen mit Lena und Jenak vorzubereiten? 20 Leserinnen und Leser der Ostfriesen Zeitung, des General Anzeigers und der Borkumer Zeitung können am 3. April, 18 Uhr, eine Stunde live mit dem Segelpaar über eine Videokonferenz (Teams) sprechen. Lena und Janek ankern dann noch vor Guadeloupe. Beide erläutern 30 Minuten ihre Tour und die Herausforderungen und beantworten dann 30 Minuten lang Fragen. Kosten? Eine frei wählbare Spende in die Bordkasse. Einfach eine Mail schreiben mit dem Stichwort „Nordklang“ an l.reckermann@zgo.de.
Lena und Janek bereiten sich akribisch vor. Ein Jahr planen sie ihre Tour. Erste Entscheidung: Welches Boot? Sie kaufen im Frühjahr 2022 ein 42 Jahre altes Boot für 35.000 Euro und nennen es „Nordklang“. Beide stecken noch einmal 20.000 Euro in den sogenannten „Refit“. Zehn Wochen lang machen sie ihr Boot zum neuen Zuhause. Nebenbei müssen noch andere Dinge geklärt werden: Welche Impfung für welches Land? Welche Versicherungen? Welche Route? In Elsfleth besuchen sie einen Survival-at-Sea-Lehrgang (übersetzt: Überleben auf dem Meer). Im Notfallkoffer gibt es alles für die Erste Hilfe – selbst einen Tacker, wenn eine Wunde „genäht“ werden muss.
Ein schmales Monatsbudget
Ihr Budget schwankt von Monat zu Monat. Es variiert von 500 bis 1.500 Euro pro Monat. Ein kleiner Nebenverdienst: wenn Freunde an Bord kommen und mit ihnen kreuzen, müssen sie in die Bordkasse einzahlen. In seinem „Online-Sailing-Shop“ gibt Janek zudem Tipps und berät Interessierte. Das bringt auch zuweilen den einen oder anderen Euro.
Aktuell (März 2024) ankern die beiden vor Pointe-à-Pitre, das ist eine Stadt auf Guadeloupe. Gestartet sind sie in Wilhelmshaven. Das war am 23. Juni 2023. Über Emden ging es über die „Stehende-Mast-Route“ durch die Niederlande in die Nordsee. Der Name „stehender Mast“ erklärt sich fast von selbst. Über die Kanalroute muss der Mast nicht eingeklappt werden. Weiterv geht es nach Spanien, Portugal, die Kanaren und Kap Verde. Kurz vor dem Jahreswechsel machen sich Lena und Janek auf, den Atlantik zu überqueren. 2.242,1 Seemeilen ohne festes Land liegen vor ihnen. Für die Autofahrer: das sind 4.152,4 Kilometer. Maximale Geschwindigkeit: 11,9 Knoten. Ein Auto würde 22 Kilometer pro Stunde zurücklegen. Wohlgemerkt: Höchstgeschwindigkeit. Die Karibik-Insel Grenada erreichen sie nach 17 Tagen und einer Stunde. Dank Passatwind und guter Strömung muss der Motor nicht lange laufen. Gerade einmal sieben Liter verbrauchen sie für 4.152,4 Kilometer. Auf der gesamten Überfahrt sichten sie drei (!) Boote.
Tägliche SMS nach Hause
Dank moderner Technik reißt die Verbindung zur Familie nie ab. Für jedes Land, für jeden Kontinent besorgen sie sich entsprechende SIM-Karten. Als sie den Atlantik überqueren und in die Karibik fahren, senden sie jeden Tag eine SMS nach Hause. Als sie die Karibik erreichen, leben sie schon seit 209 Tagen auf ihrer „Nordklang“.
Ihre Rückkehr nach Europa organisiert die Natur. „Vorherrschende Winde und Strömungen bestimmen unsere Rücktour.“ Azoren, Irland und Schottland liegen dann in einigen Wochen auf der Tour. „Das ist gerade jetzt unsere Idee, das kann sich aber jederzeit ändern“, sagt Janek. Und Lena ergänzt: „Die Pläne eines Seglers sind in Sand geschrieben.“
Dieses Jahr endet das Abenteuer
Fest steht aber: „Unsere Reise endet dieses Jahr. Wir haben immer gesagt, dass diese Tour endlich ist und wir uns wieder auf neue Jobs und das Leben an Land freuen.“
Fest steht auch: „Es tut jeder Beziehung gut, schöne Dinge zusammen zu erleben. Wir gehen durch dick und dünn.“