Kurz nach Verurteilung Ausbeuter von Emder Leiharbeitern feiert in Saint-Tropez
Vor Gericht sagte der Mann, der in Emden Leiharbeiter nicht bezahlte, dass er von Arbeitslosengeld lebe. Wenige Tage nach der Verurteilung feiert er in einem Luxus-Club an der Côte d’Azur.
Saint-Tropez/Emden/Köln - Der Kölner Jonas P. (Name geändert) hat in Emden polnische Leiharbeiter ausgebeutet und ist inzwischen ein rechtskräftig verurteilter Insolvenzverschlepper. Dazu kommen mindestens vom Kölner Amtsgericht festgestellte 50.000 Euro an nicht gezahlten Krankenkassenbeiträgen für seine Angestellten. Er selbst führt das auf seine Überforderung als Jungunternehmer, plötzlicher Vater und die Corona-Pandemie zurück – und auch finanziell habe er durch das berufliche Scheitern bluten müssen, sagte er sinngemäß vor Gericht. Er sei beschäftigungslos und lebe aktuell lediglich von Arbeitslosengeld (ALG). Bei der Rückzahlung seiner Schulden von mindestens 217.000 Euro müsse jeden Monat die Familie unterstützen.
P. ist unter den Ex-Leiharbeitern und unter Ex-Vertrauten als Freund eines luxuriösen Lebensstils bekannt: Als die Polen monatelang kein Gehalt sahen und zum Teil Pfandflaschen sammeln mussten, um über die Runden zu kommen, inszenierte sich P. auf Instagram als Jetsetter – Flugreisen, teure Autos, Luxusuhren, Austern, Champagner. Die Botschaft: Schaut, was ich mir alles leisten kann! Auch die dem Amtsgericht zufolge bereits im Dezember 2020 eingetretene Zahlungsunfähigkeit seines Unternehmens und die grundsätzlich von Gerichten anerkannte psychische Belastung eines Strafverfahrens hielten P. nicht vom Prahlen ab: Noch im Mai dieses Jahres inszenierte er sich auf TikTok in der Business-Class eines A380 nach Dubai.
Elektro-Musik und Luxus-Wodka
Nun mag man denken, dass zumindest eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Geldstrafe von 3600 Euro, die auf die Schulden noch draufkommen, zum Sparen anregen könnten – zumal der Festlegung des Tagessatzes durch das Gericht zufolge P. durch das ALG lediglich 40 Euro pro Tag zur Verfügung stehen – also 1200 Euro pro Monat. Zumindest inszeniert sich P. nicht mehr selbst öffentlich: Nach der Veröffentlichung unserer ersten Recherche schaltete er seinen Instagram-Account in den Privatmodus, nach dem Bericht aus dem Gerichtssaal und über seine Business-Class-Reise war auch auf TikTok für uns nichts mehr einsehbar. Seine Vertrauten sehen das nicht so eng – und so haben wir Zugriff auf die neuesten Party-Videos aus Saint-Tropez bekommen.
Zwei Videos, von einem von P.s Bekannten vier Tage nach der Verurteilung hochgeladen und uns vorliegend, zeigen unter anderem P. und zwei enge Vertraute im Luxus-Club „Bagatelle“ an der Côte d’Azur. Die jungen Männer rauchen und tanzen zu elektronischer Musik. Neben ihrem Tisch steht ein Weinkühler – mit einer Champagner- oder Sektflasche und einer Flasche des Edel-Wodkas „Grey Goose“. Auf ihrer Webseite beschreibt sich die „Bagatelle“-Kette selbst als „französische Hospitality-Marke mit Luxus-Restaurants und -Beach-Clubs, die die französische Joie de vivre (…) zelebriert“. In der Menü-Karte stehen entsprechende Preise: 4 cl „Grey Goose“ kosten 20 Euro – also für P. die Hälfte von dem, was er laut Gericht pro Tag zur Verfügung hat.
Strafrichter: „Das glauben wir Ihnen mal“
Was der „Bagatelle“-Club für eine ganze Flasche „Grey Goose“ verlangt, geht aus der Getränkekarte nicht hervor – und dürfte maßgeblich von der Flaschengröße abhängen. Welche Größe die Flasche aus dem Video hat, lässt sich nicht zweifelsfrei erkennen. Vergleichbare Clubs in Deutschland verlangen für eine 1,5-Liter-Flasche jedenfalls um die 350 Euro, für eine 3-Liter-Flasche um die 800 Euro. Wir wissen nicht, wer der im Video abgebildeten Personen für die Saint-Tropez-Rechnung aufgekommen ist. Möglicherweise wurde P. von seinen (Ex-)Geschäftspartnern eingeladen. Der eine ist seit Februar neuer Geschäftsführer einer ehemals von P. geführten Firma, der andere leitet eine nach unseren Veröffentlichungen neu gegründete Leiharbeitsfirma.
Ebenfalls wissen wir nicht, ob P. tatsächlich nur 40 Euro pro Tag zur Verfügung stehen – allerdings weiß auch das Gericht das nicht. Das Amtsgericht Köln hat nach aktueller Quellenlage keine Nachforschungen angestellt, welche Einkünfte P. tatsächlich hat, sondern sich auf seine Aussagen zum ALG verlassen. Das ist nicht unüblich: Tatsächlich sieht das Gesetz keinen besonderen Nachforschungsauftrag für die Gerichte vor, im Zweifel ist die Tagessatzhöhe zu schätzen. Was die von P. versicherte Rückzahlung von 2000 Euro pro Monat in die Insolvenzmasse seines gescheiterten Unternehmens angeht, hatte der Strafrichter in der Verhandlung gesagt: „Das glauben wir Ihnen mal.“
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