Eine große Feier nach der anderen Taufe, Einschulung, Konfirmation – Weihnachten mal fünf?

Vera Vogt
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Von Vera Vogt
| 29.08.2023 18:01 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 5 Minuten
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Passend zur Taufe mit einem Engel auf der Torte: Die Dekoration kann schon eindrucksvoll ausfallen. Foto: Pixabay
Passend zur Taufe mit einem Engel auf der Torte: Die Dekoration kann schon eindrucksvoll ausfallen. Foto: Pixabay
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Im Leben eines Kindes werden wichtige Tage immer mehr zum Event. Manchmal beginnt es schon vor der Geburt, dann Taufe, erster Kitatag, Einschulung, Konfirmation. Das hat Folgen.

Ostfriesland - Berge von Geschenken, die passende Torte, eigens gebastelte Einladungskarten, die Wochen vor dem großen Tag rausgehen und schließlich die richtige Deko und Spiele nicht vergessen: Es klingt nach einem runden Geburtstag oder nach Weihnachten. Mittlerweile gibt es all das aber auch passend zur Taufe, zur Konfirmation, zur Einschulung. Auf unzähligen Internetseiten gibt es Tipps, verschiedene Anbieter in Ostfriesland haben einen Motto-Kuchen für jeden Anlass: „Ob Geburtstag, Verlobung, Hochzeit, Babyshower, Geburt, Taufe, Schulstart, Kommunion, Konfirmation, zur bestanden Prüfung oder deinem ganz besonderen Moment“, heißt es da.

Wir wollten wissen: Täuscht der Eindruck oder werden die Tage für Familien immer mehr zum Event?

Taufe: Aus finanzieller Sorge abgeblasen

Der Druck ist auf jeden Fall da, sagt Ulf Preuß, Sprecher der evangelisch-reformierten Kirche. Wenn es allerdings um die Frage geht, ob die Feierlichkeiten immer größer werden sagt er: „Ja und nein.“ Denn bei kirchlichen Feiern würden Eltern, die nicht das nötige Kleingeld dafür hätten, davon absehen, ein größeres Event davon zu machen. Vielmehr würden sie die Feiern ganz auslassen, aus Sorge nicht mithalten zu können. „Und man darf nicht vergessen, dass das ein relevanter Teil der Bevölkerung ist“, sagt er. „Studien haben ergeben, dass Eltern dann zum Beispiel ihre Kinder lieber nicht taufen lassen, um die finanzielle Belastung einer Feier zu vermeiden“, sagt er.

So manche Taufe wird richtig groß gefeiert. Foto: Pixabay
So manche Taufe wird richtig groß gefeiert. Foto: Pixabay
Es gebe Versuche, beispielsweise durch Gemeinschaftstaufen in Gemeindehäusern seitens der Kirche ein Angebot zu machen, dass die finanzielle Belastung geringer halte. „Das ist allerdings ein tiefergehendes gesellschaftliches Problem, das man natürlich nicht so einfach lösen kann. Zutiefst bedauerlich, aber es ist so“, sagt er. Die Taufe als „Eintrittskarte“ in die Kirche, als erstes Zeichen des Bundes von Mensch und Gott koste an sich keinen Pfennig. „Die Feiern können ganz unterschiedlich sein. Niemand muss irgendetwas unbedingt vorweisen“, sagt er. Um wieder einen ersten Kontakt zu denen zu bekommen, die sich noch nie mit dem Thema Taufe auseinandergesetzt haben, gebe es etwas Neues: „Auf der Internetseite tauffrisch.de gibt es Hinweise“, sagt er.

Konfirmation: Geschenke absolut nicht verwerflich

Die Konfirmation ist der „nächste Schritt“. „Jugendliche bestätigen damit den Bund, werden nahezu vollwertige Kirchenmitglieder“, sagt der Sprecher.

Die Zahlen der Konfirmationen bleiben laut des Statistik-Portals Statista von 2008 bis 2021 – abgesehen von einem Corona-Knick – auf einem absteigenden, dennoch recht hohen Niveau. Im Jahr 2021 feierte die evangelische Kirche insgesamt demnach 156.077 Konfirmationen in Deutschland. „Dass Geschenke da bei vielen Jugendlichen auch eine Rolle spielen, ist absolut nicht verwerflich, es ist nur ehrlich“, sagt Preuß. Beim vorbereitenden Fahrten oder im Unterricht würde es um den Glauben und die Gemeinschaft gehen.

Einschulung: Druck über Social Media

Anika Edelmann, Schulpsychologin beim Regionalen Landesamt für Schule und Bildung Osnabrück und zuständig für die Schulen der Stadt Leer, von Bunde, Weener, Jemgum, Moormerland und Westoverledingen, sieht sehr wohl einen Druck, der beim Thema Einschulung auf Familien lasten kann. „Wir alle erleben heutzutage, dass das Thema Einschulung große Diskussionen auslöst: Wie viel Geld gibt man für die Schultüte aus? Wie viel für die Einschulungsfeier? Was ist genug, was ist wirklich notwendig und kann ich auch übertreiben? Eltern sind heute bereit, tief in die Tasche zu greifen, um dem eigenen Kind ein tolles Fest zu ermöglichen“, sagt Edelmann.

Die Deko gibt es immer passend: Ballons zur Einschulung. Foto: Pixabay
Die Deko gibt es immer passend: Ballons zur Einschulung. Foto: Pixabay
„Außerdem begegnen uns in sozialen Medien wie Instagram, Facebook und Co. die schönsten und perfektesten Bilder von großen Festen mit prunkvollen Motto-Torten oder aufwendigen Unterhaltungsprogrammen“, sagt sie. „Niemand postet Fotos von traurigen oder sorgenvollen Momenten, obwohl sie ebenso zu unserem Leben dazugehören und von Bedeutung für uns sind.“ Und natürlich solle der Schulanfang auch in der Familie gefeiert und auf diese Weise wertgeschätzt werden – nur sollte es dazu eben nicht übermäßig viel Geld oder Materielles benötigen. Gemeinsame Zeit und wertschätzende Aufmerksamkeit sind entscheidender, unterstreicht sie.

Gender-Reveal und Baby-Shower – auch in Ostfriesland?

Der Rauch verrät das Geschlecht bei einer Gender Reveal Party. Foto: Pixabay
Der Rauch verrät das Geschlecht bei einer Gender Reveal Party. Foto: Pixabay
Die sozialen Medien erhalten nicht nur bei der Einschulung Einzug ins Leben vieler Familien. Manchmal schon vor der Geburt eines Kindes: Werdende Eltern betreiben immer mehr Aufwand, um ihren Gästen ein besonderes Event zu bieten – Gender-Reveal-Partys (zu deutsch so etwas wie „Geschlechtsenthüllungsfeier“) sind Teil dessen. Dazu gibt es Millionen Beiträge zum Beispiel bei Instagram. Mit einem farbig gefüllten Kuchen, mit Farbbomben, Rauch – jedenfalls mit großem Bohei – wird das, bis dahin für alle unbekannte, Geschlecht des Kindes mit blauer oder rosaner Farbe bekanntgegeben. „Wenn man sich anguckt, welche Rituale neu entstanden sind, dann sind das alles globale Rituale. Junggesellenabschiede sind so ein Beispiel, die auch ganz stark medial transportiert werden“, sagt die Kulturwissenschaftlerin Katrin Bauer vom LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte in Bonn, die Elternschaftskultur untersucht gegenüber der Deutschen Presseagentur. Auch die große Baby-Shower, also eine Feier für die werdende Mutter gehört dazu.

Bei der Baby-Party wird groß aufgefahren. Foto: Pixabay
Bei der Baby-Party wird groß aufgefahren. Foto: Pixabay
Belastbare Zahlen, wie viele Gender-Reveal-Partys in Deutschland gefeiert werden, gibt es nicht. Für Ostfriesland ebenso wenig. Allerdings gibt es deutsche Online-Shops, die die passende Deko anbieten, Konditoreien, Selbstständige und Patisserien in der Region, die personalisierte Kuchen backen. Die Ausmaße wie in den USA erwartet Forscherin Bauer für Deutschland aber nicht.

Generell bewegt sich die gesellschaftliche Großwetterlage eigentlich in andere Richtungen – viele Eltern lehnten es ab, das Kinderzimmer des Sohnes hellblau zu streichen oder die Tochter vorwiegend in rosa Röcke zu kleiden.

Mit Material von dpa

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