Samstag ist Einschulung Muss es zur Einschulung immer eine große Sause geben?

Vera Vogt
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Von Vera Vogt
| 18.08.2023 13:01 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 6 Minuten
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Die Schultüte gehört zur Einschulungsfeier.. Foto: Pixabay
Die Schultüte gehört zur Einschulungsfeier.. Foto: Pixabay
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Höher, schneller, weiter: Die Feiern zur Einschulung scheinen immer größer zu werden. Eine Schulpsychologin erklärt: Wann ist es zu viel und worauf kommt es wirklich an?

Weener - Die selbstgebastelten Karten müssen drei Wochen vorher verschickt werden – spätestens. Wenn es mit der Einschulungsfete klappen soll, muss man viel beachten, mahnt eine Internetseite mit Tipps. Die richtige Deko muss her, festliche Kleidung und thematisch passende Spiele und Essen. Es scheint, als würde die Feier des ersten Schultages immer größer. Täuscht das?

Was und warum

Darum geht es: Am Sonnabend ist Einschulung. Die Feste dazu scheinen immer größer zu werden. Wir haben mit einer Schulpsychologin darüber gesprochen, ob das sein muss und was das mit einem macht.

Vor allem interessant für: Eltern

Deshalb berichten wir: Die Einschulung steht an.

Die Autorin erreichen Sie unter: v.vogt@zgo.de

Den ersten Schultag hat man schon immer gefeiert, sagt Lars Klinkenborg. Er muss es wissen, denn bei ihm werden Geschenke dafür gekauft. Er führt die Buchhandlung Klibo in Weener. „Besonders Freundschaftsbücher sind der Renner“, sagt er. Da jedes Kind eine Liste habe, was es für den Schulstart brauche, seien die Geschenke eher schönes „Gedöns“. „Erstlesebücher, lustige Radiergummis zum Beispiel“, sagt er. Alles wie immer. „Was neu ist, ist, dass viele Einladungen für die Einschulungsfeier kaufen“, sagt er. „Dass Freunde und Familie zum großen Event geladen werden, hat in den vergangenen Jahren zugenommen“, sagt er. Durch Corona sei es zum Erliegen gekommen, dann wieder losgegangen.

Druck auf den Familien

Eine schöne Sache, wenn man Lust dazu hat. Aber übt das auch Druck aus? Diese Frage haben wir Anika Edelmann gefragt. Sie ist Schulpsychologin beim Regionalen Landesamt für Schule und Bildung Osnabrück und zuständig für die Schulen der Stadt Leer, von Bunde, Weener, Jemgum, Moormerland und Westoverledingen. Sie sieht sehr wohl einen Druck, der auf Familien lasten kann. „Wir alle erleben heutzutage, dass das Thema Einschulung große Diskussionen auslöst: Wie viel Geld gibt man für die Schultüte aus? Wie viel für die Einschulungsfeier? Was ist genug, was ist wirklich notwendig und kann ich auch übertreiben? Eltern sind heute bereit, tief in die Tasche zu greifen, um dem eigenen Kind ein tolles Fest zu ermöglichen“, sagt Edelmann.

Hinzu komme ein weiterer Aspekt: Social Media. „Außerdem begegnen uns in sozialen Medien wie Instagram, Facebook und Co. die schönsten und perfektesten Bilder von großen Festen mit prunkvollen Motto-Torten oder aufwendigen Unterhaltungsprogrammen“, sagt sie. Die Crux: Man vergesse schnell, wie einseitig und verzerrt diese Darstellungen in Wahrheit seien. „Niemand postet Fotos von traurigen oder sorgenvollen Momenten, obwohl sie ebenso zu unserem Leben dazugehören und von Bedeutung für uns sind. Nur werden sie eben nicht auf die gleiche Weise zur Schau gestellt.“ Diese Einseitigkeit könne Eltern tatsächlich verunsichern, vielleicht auch unter Druck setzen: „Habe ich genauso viel vorbereitet wie die anderen Eltern der Klasse? Können wir mit den anderen mithalten?“, seien Fragen, die man sich stelle.

Für alle bricht eine neue Zeit an

Auch ohne große Partyplanungen kann die Zeit anstrengend sein, sagt die Psychologin. „Die ersten Schultage sind sehr aufregend und herausfordernd. Für die Kinder wie auch für ihre Eltern stehen mit der Einschulung plötzlich viele Veränderungen an“, sagt sie. Kinder lernten in der Schule ganz neue Regeln, müssten sich nun in der Klassengemeinschaft zurecht finden. „Außerdem sollen sie stillsitzen lernen, sich konzentrieren. Sie müssen sich jetzt melden, wenn sie etwas sagen wollen, und sich die Aufmerksamkeit mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern teilen.“

Aber auch für Eltern sei die Herausforderung groß. Sie fragten sich, ob das Kind neue Freunde finden und gerne in die Schule gehen werde, ob es seine Lehrkräfte mögen werde und wie es mit den neuen schulischen Anforderungen zurechtkomme, zählt Edelmann auf. Eltern müssten ein Stück weit „loslassen“, müssten dabei auf die Kompetenz der Lehrkräfte vertrauen. „Das kann für manche schwierig sein. Aber sowohl Eltern als auch Lehrkräfte wollen, dass es den Kindern in der Schule gut geht und sie Freude am Lernen entwickeln – alle ziehen also an einem Strang.“

Steigert eine große Feier die Freude an der Schule?

Belastung gibt es also ohnehin genug. Aber hilft es denn der Vorfreude auf die Schule, wenn es eine große Feier gibt? „Nein, das tut es nicht. Aber Vergleiche in der Hinsicht ‚Was hast Du, was habe ich bekommen?‘, könnten natürlich neidvolle Gefühle unter Kindern auslösen“, sagt die Psychologin. Um glücklich zu sein, benötigten Kinder und Schulkinder jedoch andere wertvolle Erfahrungen. Sie müssten erfahren: „Ich bin meinen Eltern wichtig. Sie lieben mich nicht wegen dem, was ich tue, sondern bedingungslos mit allem, was mich als Mensch ausmacht“, beschreibt Edelmann. Ein Kind müsse erfahren, dass es sich ausprobieren, auch mal Fehler machen und sich bei Problemen an die Eltern wenden könne, weil sie zuhören und es ernst nehmen.

„Und natürlich sollte der Schulanfang auch in der Familie gefeiert und auf diese Weise wertgeschätzt werden – nur sollte es dazu eben nicht übermäßig viel Geld oder Materielles benötigen. Gemeinsame Zeit und wertschätzende Aufmerksamkeit sind entscheidender“, unterstreicht sie.

Wie kann ich mein Kind gut vorbereiten?

Es gibt noch weitere Tipps für die Einschulung, die nichts mit Einladungskarten oder Mottotorten zu tun haben: „Sätze wie ‚Nun beginnt der Ernst des Lebens!‘, sind zum Glück überholt. Eltern können ihren Kindern auch von positiven Erfahrungen aus ihrer eigenen Schulzeit erzählen und ihnen damit die Angst vor dem Neuen und Unbekannten nehmen“, sagt die Schulpsychologin.

Auch sei es sinnvoll, vorher schon einmal gemeinsam den Schulweg zu gehen. Eltern und Kinder können sich gemeinsam den Schulhof, vielleicht die Spielgeräte und das Schulgebäude von außen ansehen. „Das schafft eine erste Vertrautheit mit der Umgebung und baut mögliche Ängste ab.“ Man könne das Kind zusätzlich an die Aufstehzeit gewöhnen und am besten eine Morgenroutine einführen, damit die ersten Tage möglichst wenig stressig seien. Man könne gemeinsam losgehen und die Sachen besorgen, die es brauche. „Dann wird gemeinsam die Schultasche gepackt und am ersten Schultag kann nichts mehr schief gehen.“

Und wie geht es dann weiter? „Ist der erste Schultag geschafft, sollten Eltern sich schließlich die Zeit nehmen und zuhören, die Kinder von ihren Erfahrungen erzählen lassen, wenn sie es möchten“, rät Edelmann.

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