So sehen die Pläne aus Auf Spiekeroog wohnen Internatsschüler bald in Tiny Houses

Susanne Ullrich
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Von Susanne Ullrich
| 28.07.2023 10:51 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Knapp elf Tonnen wiegt das Tiny-Haus-Modul samt Lafette. Hier wird beides an Bord der „Spiekeroog IV“ gebracht. Foto: Ullrich
Knapp elf Tonnen wiegt das Tiny-Haus-Modul samt Lafette. Hier wird beides an Bord der „Spiekeroog IV“ gebracht. Foto: Ullrich
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Fünf Tiny Houses sind per Fähre vom Festland nach Spiekeroog gereist. Eine logistische Meisterleistung. Die Hermann-Lietz-Schule schafft damit nachhaltigen Wohnraum.

Spiekeroog - Es ist Millimeterarbeit. Lukas Thiemann und Volker Henkel werkeln im Neuharlingersieler Fährhafen herum. Ihre Mission: Ein Tiny House auf eine Lafette zu bekommen. Mit diesem Anhänger wird das Modul mobil. Erst nach einigen Versuchen und mehrfachem Korrigieren sind sie zufrieden: Das kompakte Gebäude liegt absolut gerade auf dem rollenden Unterbau. Jetzt müssen die Stützen, auf denen die Herberge normalerweise steht, eingefahren werden. Es hakt. Ein Gummihammer aber kann es richten. Und dann kommt ein Traktor, der den Anhänger fortbringt. Denn am Festland soll das Miniaturhaus nicht bleiben. Es reist von hier aus weiter, auf die Insel Spiekeroog.

Was und warum

Darum geht es: Flexibler Wohnraum für die Insel. Das Spiekerooger Internat geht neue Wege und hat sich Tiny Häuser bauen lassen, die nun per Schiff angeliefert wurden.

Vor allem interessant für: (künftige) Eigenheimbesitzer, Logistikbegeisterte

Deshalb berichten wir: Es sind die ersten Tiny Häuser, die im Landkreis Wittmund fürs Dauerwohnen genehmigt und nun auch fertig- und aufgestellt wurden. Logistisch war dies keine Kleinigkeit.

Die Autorin erreichen Sie unter: s.ullrich@zgo.de

„Ist das aufregend“, gibt Nicole Stollberg zu. Sie ist verantwortlich für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit an der Hermann-Lietz-Schule und dokumentiert das Geschehen, unterstützt durch Maximilian Langner. Das Inselinternat hat insgesamt fünf dieser Häuschen bauen lassen – als Unterkünfte für Schüler der Oberstufe sowie Personal. Mit der Option, drei weitere zu ergänzen. Dazu ist zudem ein Versorgungsmodul mit Strom- und Wasseranschlüssen entstanden, in dem Waschmaschine und Trockner Platz finden. Insgesamt acht Tiny Houses hat das Wittmunder Kreisbauamt der privaten Schule genehmigt. Etwa 120.000 Euro kostet solch ein Haus inklusive Transport auf die Insel. Entworfen und hergestellt wurden die Prototypen in einer Wiefelsteder Fertigungshalle der Oldenburger Firma Thiemann und Henkel Holzhandwerk GmbH. Tischler Lukas Thiemann hatte im Vorfeld vieles zu bedenken und konnte nicht einfach wild drauflosplanen. Wichtig waren außer der Nachhaltigkeit in der Bauweise und Lebensqualität zukünftiger Bewohner auch die Maße der Module.

Langsam und Zentimeter für Zentimeter wird eine Wohneinheit an Bord der „Spiekeroog IV“ geschoben. Höher hätte das Modul nicht sein dürfen. Foto: Ullrich
Langsam und Zentimeter für Zentimeter wird eine Wohneinheit an Bord der „Spiekeroog IV“ geschoben. Höher hätte das Modul nicht sein dürfen. Foto: Ullrich

Rund elf Tonnen Gesamtgewicht

Denn um überhaupt auf die Insel zu kommen, muss so ein Tiny House erst einmal auf die Fähre passen. Darum wird es noch einmal richtig spannend, als der Traktor den Anhänger langsam rückwärts hinauf auf die Fähre schiebt. Das Verladen ist mindestens so anspruchsvoll wie das Platzieren des Moduls auf der Lafette. Zentimeter für Zentimeter, so scheint es, schiebt der Traktor das fahrbare Gebäude auf das Schiff. „Das erste Mal ist schon ein bisschen aufregend“, gibt Thiemann zu. Dann relativiert er jedoch sofort: „Aber wir wussten schon, dass es so geht.“

Der Kran lässt ein 7,5 Tonnen schweres Tiny House langsam zu Boden schweben. Foto: Stollberg
Der Kran lässt ein 7,5 Tonnen schweres Tiny House langsam zu Boden schweben. Foto: Stollberg

Erst, als die insgesamt rund elf Tonnen schwere Lafette samt Tiny House an Deck der „Spiekeroog IV“ steht, atmen alle Beteiligten auf. Das Schiff legt ab. Im Hafen von Spiekeroog geht dann alles rückwärts: Der Anhänger wird entladen, das Haus am Hafen positioniert und wieder aufgebockt. Die Lafette geht mit der nächsten Fähre zurück nach Neuharlingersiel. Über Tage hinweg, so lange, bis jedes einzelne Modul im Spiekerooger Hafen angekommen ist. Zusammen mit einem Kran. Denn der wird die neuen Wohneinheiten von je 20 Quadratmetern letztlich auf den dafür vorbereiteten Punktfundamenten auf dem Internatsgelände positionieren.

Für die mobilen Tiny Häuser muss der Untergrund nicht ausgekoffert und gepflastert werden. Die Fundamente werden nur punktuell dort, wo die Stützen der Module stehen, in den Boden geschraubt. Verschwindet das Haus, können diese wieder entfernt werden. Foto: Stollberg
Für die mobilen Tiny Häuser muss der Untergrund nicht ausgekoffert und gepflastert werden. Die Fundamente werden nur punktuell dort, wo die Stützen der Module stehen, in den Boden geschraubt. Verschwindet das Haus, können diese wieder entfernt werden. Foto: Stollberg

Punktfundamente statt versiegelter Fläche

Davor müssen die Häuser jedoch erst einmal aufs Internatsgelände kommen. Keine leichte Aufgabe auf einer eigentlich autofreien Insel ohne wirklich befestigte Straßen. Die engen Wege sind für Schwertransporte absolut ungeeignet. Eine Herausforderung für alle Beteiligten. Im Schritttempo, mit viel Fingerspitzengefühl und der Zugkraft eines Unimogs aber gelingt es schließlich. Eine Baustraße aus schweren Metallplatten erleichtert die letzten 100 Meter. Sie geben Kran und Unimog Halt. Einen ganzen Tag dauert es, um allein drei der Module an ihren Platz zu schaffen. Eigentlich sollte da schon alles stehen. „Wir haben einen zeitlichen Puffer eingeplant“, sagt Stollberg auf Nachfrage. Der Kran ist vorsorglich direkt für zwei Tage auf die Insel gekommen.

Auf dem Internatsgelände wurden Metallplatten ausgelegt. Ein Kran setzt die Tiny Häuser auf die dafür vorgesehenen Fundamente. Foto: Langner
Auf dem Internatsgelände wurden Metallplatten ausgelegt. Ein Kran setzt die Tiny Häuser auf die dafür vorgesehenen Fundamente. Foto: Langner

Erfreulich für diejenigen, die hier einziehen wollen. Und die quasi schon mit gepackten Koffern parat stehen. Ursprünglich war die Internatserweiterung schon für Anfang 2023 geplant. „Das Thema Wohnraumknappheit spielt auf Spiekeroog eine große Rolle“, weiß Schulleiter Florian Fock. Tinys sind in seinen Augen nachhaltig, flexibel – und damit wie gemacht für die Insel. „Es ist ökologisches Wohnen.“ Für ein Kleinsthaus wird kaum Fläche versiegelt. Dort, wo die Module stehen, wurden Schraubfundamente in den Boden gebracht, die rückstandslos wieder entfernt werden können. Ein Modul besteht vorrangig aus Holz und soll mindestens 50 Jahre halten. Wenn es dennoch nicht mehr gebraucht wird, kann es versetzt oder sogar wieder zurück ans Festland gebracht werden. Die fünf Module haben unterschiedliche Grundrisse: Drei sind reserviert für je zwei Internatsschüler, die sich ein Bad teilen. Zwei Module haben eine Komplettausstattung samt Küche: Hier werden Mitarbeiter der Schule beziehungsweise des Nationalparkhauses Wittbülten einziehen.

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