Greetsieler Woche Syrische Künstlerin malt, um Kindern aus dem Krieg ein Gesicht zu geben

Hannah Weiden
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Von Hannah Weiden
| 19.07.2023 08:08 Uhr | 0 Kommentare | Lesedauer: ca. 4 Minuten
Helda Kutish stellt derzeit ihre Bilder während der Greetsieler Woche aus. Foto: Wagenaar
Helda Kutish stellt derzeit ihre Bilder während der Greetsieler Woche aus. Foto: Wagenaar
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Helda Kutish floh 2015 vor dem Bürgerkrieg in Syrien. Ihre Erlebnisse verarbeitet sie unter anderem dadurch, dass sie sie malt. Derzeit kann man ihre Werke in Greetsiel sehen.

Greetsiel - Wenn Helda Kutish über ihre Bilder spricht, wird sie emotional. Die Kinder, die sie malt, erzählen Geschichten. Geschichten über den Krieg in Syrien, über die Flucht nach Europa, über Zwangsehen, Abschiede und ein Regime, bei dem die Kinder viel zu oft Verlierer sind. Mit ihren Bildern will Kutish diesen Kindern eine Stimme geben. „Ich habe all das erlebt, ich habe all das gesehen“, sagt sie, während sie uns ihre Ausstellung auf der Greetsieler Woche zeigt. „Ich will das alles mit den Bildern aus meiner Seele lassen.“

Was und warum

Darum geht es: eine Künstlerin, die während der Greetsieler Woche zu Gast ist

Vor allem interessant für: alle, die sich für Kunst oder für Schicksale Geflüchteter interessieren

Deshalb berichten wir: Derzeit findet die Greetsieler Woche statt. Wir fanden Helda Kunish und ihre Geschichte spannend und haben uns mit ihr getroffen.

Die Autorin erreichen Sie unter: h.weiden@zgo.de

Mit ihrer Kunst verarbeitet Helda Kutish auch ihre eigenen Erfahrungen. 2015 musste sie wegen des Bürgerkriegs in ihrem Heimatland nach Europa fliehen und dabei ihren Mann und ihre Kinder zurücklassen. Die Familie lebte in einem Küstenort namens Latakia an der Mittelmeerküste, einem der Schauplätze des Krieges. Ihr Mann war Anwalt, sie Kunstlehrerin an einer Schule.

In ihren Motiven wählt Helda Kutish oft alltägliche Situationen aus dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat. Foto: Wagenaar
In ihren Motiven wählt Helda Kutish oft alltägliche Situationen aus dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat. Foto: Wagenaar

Traumatische Erfahrungen während der Flucht

Ihre Flucht führte sie aus Syrien nach Ratingen in Nordrhein-Westfalen. Ihre Erlebnisse, die sich in ihr Gedächtnis gebrannt haben, kann sie dort heute aber nicht vergessen. Sie erzählt unter anderem von Flüchtlingscamps in Ungarn, in denen schlimme Bedingungen herrschten und es nur Äpfel zu essen gab. Noch heute kann sie deshalb keine Äpfel essen, sagt sie. Stattdessen malt sie sie. Sie zeigt auf eines ihrer Bilder mit einem Kind, das einen Apfel in der Hand hält. Abgebissen hat das Kind nicht.

Zu jedem der Bilder, die die Syrierin derzeit in Greetsiel ausstellt, weiß sie eine Geschichte zu erzählen. Da wäre etwa das Mädchen im Brautkleid und mit Kuscheltier, das mit 14 an einen 39-jährigen Mann verkauft wurde. Oder das Mädchen, das in den Ruinen seines Elternhauses Schulaufgaben macht, obwohl es längst keine Schule mehr gibt. „All diese Geschichten sind so stark und so traurig“, sagt die 40-Jährige. „Die Kinder sind so unglaublich klein in diesem Krieg. Ich möchte das Leid von ihnen zeigen.“

Dieses Bild trägt den Namen "Hoffnung". Foto: Wagenaar
Dieses Bild trägt den Namen "Hoffnung". Foto: Wagenaar

Familie zurückgelassen

Vor dem Krieg hat Kutish vor allem Blumen, Bäume und alte Häuser gemalt, sagt sie. Mit dem Malen der Kinder fing sie dann an, als sie nach drei langen Jahren endlich mit ihren eigenen Kindern wieder vereint war. „Als ich meine Familie zurücklassen musste, war meine Tochter gerade einmal 1,5 Jahre alt“, sagt die Malerin. In den Kindern, die sie malt, sehe sie immer auch ein wenig ihre eigenen Kinder. Ihre mittlerweile neunjährige Tochter hat sie nun auch nach Greetsiel begleitet. „Das ist hier ein ganz toller Ort. Meine Heimatstadt lag ja auch am Meer und seit ich in Deutschland bin, hab ich das Meer nicht mehr gesehen. Das bedeutet mir also sehr viel“, sagt Kutish.

In Syrien hat die 40-Jährige Modedesign und Kunst studiert, später dann bis zu ihrer Flucht an einer Schule Kunst unterrichtet. Heute arbeitet sie wieder an einer Schule, bietet dort Kunstprojekte für Kinder an. Zum Leben reicht das aber nur knapp, denn auch das Jura-Studium ihres Mannes wird in Deutschland nicht anerkannt.

Für Helda Kutish sind ihre Bilder eine Art, mit ihren Erlebnissen umzugehen. Foto: Wagenaar
Für Helda Kutish sind ihre Bilder eine Art, mit ihren Erlebnissen umzugehen. Foto: Wagenaar

Während der Greetsieler Woche unterhält sich Helda Kutish mit den Besucherinnen und Besuchern. Viele fragen, was es mit ihren Motiven auf sich hat. Am Ende kaufen aber nur wenige von ihnen eines ihrer Bilder, denn kaum einer wolle ein trauriges Motiv in seiner Wohnung hängen haben. Dafür hat die Syrierin auch Verständnis - sie wüsste auch nicht, ob sie sich selber eines ihrer Bilder aufhängen könnte, sagt sie. Dabei sollen die Kinder mit ihrem Blick aber nicht nur Traurigkeit, sondern auch Hoffnung transportieren. Denn die Menschheit zeige immer wieder, dass sich die Probleme nur wiederholten. „Ein Mädchen in der Ukraine leidet genauso sehr wie ein Mädchen aus Syrien“, sagt Kutish.

Die Bilder von Helda Kutish können noch bis Sonntag, 23. Juli, im Rahmen der Greetsieler Woche, besichtigt werden. Die Künstlerin ist jeden Tag vor Ort.

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